Papierstrohhalme werden häufig als umweltfreundliche Alternative zu den weit verbreiteten Plastikstrohhalmen propagiert. Doch es gibt gewichtige Argumente, die gegen eine praktische Nutzung der Papierstrohhalme sprechen: Sie zeigen sich häufig nicht robust genug, um einem cremigen Frappuccino standzuhalten; auch bei weniger anspruchsvollen Getränken versagen sie oft; darüber hinaus übersteigen die Produktionskosten die von Plastikstrohhalmen. Ein Team belgischer Forscher hat unlängst einen weiteren Grund genannt, warum Papierstrohhalme keine sinnvolle Alternative sind. Sie setzen mehr der so genannten „ewigen Chemikalien“ oder PFAS (Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen) frei als Plastikstrohhalme. Sollten Sie Bambus als Alternative in Betracht ziehen, dann seien Sie gewarnt: Bambusstrohhalme belegten in Bezug auf den PFAS-Gehalt den zweiten Platz – direkt nach Papier und vor Plastikstrohhalmen.
Die Forscher stellten fest, dass „PFAS in nahezu allen Arten von Strohhalmen identifiziert werden konnten, vor allem jedoch in solchen, die aus pflanzlichem Material gefertigt wurden“, so die Schlussfolgerungen eines Forschungsartikels, der in der Zeitschrift „Food Additives and Contaminants“ veröffentlicht wurde. Die Forscher führten weiter aus: „Diese ‚umweltfreundlichen‘ Trinkhalme auf pflanzlicher Basis sind nicht unbedingt eine nachhaltigere Option im Vergleich zu Plastikstrohhalmen, da sie zusätzlich zur bestehenden PFAS-Belastung für Mensch und Umwelt beitragen (z. B. durch den Abbau auf Mülldeponien oder durch unvollständige Verbrennung). Edelstahlstrohhalme, die wiederverwendet und komplett recycelt werden können, scheinen aus Sicht der Nachhaltigkeit die beste Alternative zu sein. Sie enthalten kein PFAS.“
Die Belastung mit PFAS
Die Untersuchungen, die im Rahmen dieser Forschungsarbeit durchgeführt wurden, zeigten, dass 90 % der getesteten Papierstrohhalme und 80 % der Bambusstrohhalme PFAS enthielten; bei den Plastikstrohhalmen waren es immerhin noch 75 %.
Um zu verstehen, warum das ein Problem ist, muss man etwas mehr über die Stoffklasse der PFAS wissen. Diese setzt sich zusammen aus Poly- und Perfluoralkylsubstanzen und kommt, dank ihrer widerstandsfähigen Eigenschaften gegenüber Fett, Öl und Wasser, sowie ihrer Antihaftwirkung, in praktisch allen Lebensmittelkontaktmaterialien und wiederverwendbaren Kunststoffen vor, so die FDA. Sie werden bereits seit über 80 Jahren genutzt. Das wissenschaftliche Verständnis für PFAS und die technischen Methoden, die für Tests auf sehr geringe Konzentrationen diese Chemikalien in Lebensmitteln benötigt werden, sind erst in den letzten fünfr Jahren entwickelt worden, wie die FDA auf ihrer Webseite erklärt.
PFAS – die „Ewig-Chemikalien“
Unter dem Begriff PFAS fallen über 12.000 künstlich entwickelte Chemikalien. Ein besonderes Merkmal dieser Chemikalien ist ihre Beständigkeit: Es kann Tausende von Jahren dauern, bevor sie sich auflösen. Deshalb werden sie manchmal als „Ewig-Chemikalien“ bezeichnet. Einige dieser Stoffe können potenziell schädlich für Tiere, Menschen und die Umwelt sein. In verschiedenen Studien wurden Zusammenhänge zwischen der Belastung mit PFAS und einer Reihe von Gesundheitsproblemen festgestellt. So können sie beispielsweise eine verminderte Reaktion auf Impfungen, Fehlfunktionen der Schilddrüse, erhöhte Cholesterinwerte, Leberschäden sowie Nieren- und Hodenkrebs hervorrufen. Große Mengen dieser Chemikalien wären erforderlich, um beim Menschen gesundheitsschädliche Auswirkungen zu verursachen. Allerdings können sie sich im Organismus über mehrere Jahre ansammeln und hohe Konzentrationen erreichen, wie Phys.org berichtet. Gerade für jene, die Strohhalme nur gelegentlich nutzen, geht von PFAS allerdings eine nur geringe Gefahr aus.
Dennoch gibt es in einigen US-Bundesstaaten bereits Beschränkungen und Verbote für die Nutzung von PFAS in Lebensmittelverpackungen und in Pflegeprodukten. Und die Environmental Protection Agency (EPA) – die Umweltschutzbehörde von fünf europäischen Ländern – haben vorgeschlagen, die Herstellung der „ewigen“ Chemikalien drastisch einzuschränken.
Die Herkunft von PFAS in Papierstrohhalmen
Das Forscherteam der Universität Antwerpen, das die Studie durchgeführt hat, ging ursprünglich davon aus, dass „Papierstrohhalme eher mit PFAS belastet sind als andere Arten von Strohhalmen, da die Papierhersteller ihre Produkte gemäß dem Wunsch der Endnutzer wasserabweisend gestalten wollen“, so die Wissenschaftler. Sie konnten leider nicht feststellen, ob die PFAS aus dem Produktionsprozess stammten oder etwa auf spezifische Umweltbedingungen, wie auf den Boden, in dem die Pflanzen für die Strohhalme wachsen, zurückzuführen waren.
Die Forscher wiesen auch darauf hin, dass ihre Arbeit die erste Studie in Europa war, die sich mit dem Vorkommen von PFAS in pflanzlichen Strohhalmen befasste. Auf einer US-Studie aus dem Jahr 2021, auf die sich die belgischen Wissenschaftler bezogen haben, konnte erstmals nachgewiesen werden, dass PFAS auch in Strohhalmen aus pflanzlichen Materialien vorkommen.